Staat, Nation, Heimat, Selbstbestimmung und Subsidiaritätsprinzip
Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 12. April 2018
Das Wort Heimat in 2 m hohen Buchstaben am Rand eines Neubaugebietes im Wetzgau
Als gelernter Jurist mit großem Interesse am Staats- und Völkerrecht möchte ich gern ein wenig zur besseren allgemeinen Orientierung im Sinne besserer praktischer Lebensphilosopie und -gestaltung beitragen. Ich sehe diese Notwendigkeit, weil in der Öffentlichkeit über die betreffenden rechtlichen Grundlagen so gut wie nichts berichtet wird. Insbesondere zu einer gelungenen Lebensgestaltung gehört aber ganz unverzichtbar das Wissen über die wichtigsten Zusammenhänge von Staat, Nation, Heimat und Selbstbestimmung und Subsidiarität.
1. Deutschland ist kein Staat? Das ist die Parole der „Reichsbürger“ und anderer Kritiker der Gebietskörperschaft Bundesrepublik Deutschland, die nach dem Willen der Siegermächte des 2. Weltkriegs nach dem Verlust von fast der Hälfte des Territoriums aus dem Deutschen Reich hervorgegangen ist. Man kann da schon zweifeln, ob das jetzige Gebilde nach solch einem Verlust noch mit dem Reich identisch ist. Aber dass die Bundesrepublik ein Staat ist, kann niemand mit gesunden Sinnen ernsthaft bezweifeln. Jeder kennt die drei Kriterien eines Staates: Volk, Gebiet, Herrschaft (Staatsgewalt). Eine komplette Unabhängigkeit der Staatsgewalt von Dritten gehört nicht dazu. Ein Staat ist selbst dann noch da, wenn er in wesentlichen Belangen, z.B. Krieg und Frieden und Sicherung von Rohstoffen, von anderen dominiert wird. Ein Staatsvolk ist das beherrschte Volk auch dann, wenn es die Regierung nicht liebt. Es muss sich aber dessen bewusst sein, dass es einer auf Dauer angelegten Staatsmacht unterliegt (Beispiel: DDR), was bei einem kurzlebigen Marionettenstaat (z.B. Manschukuo/1. Weltkrieg) nicht der Fall ist. Der bedeutendste Staatsrechtler unserer Zeit, Herrmann Heller, der den Begriff des sozialen Rechtsstaats geprägt hat, erklärt in seiner unvergleichlichen Staatslehre, dass es noch keinen Staat machen werde, wenn eine Räuberbande die Schweiz überfiele (nur ein Scherz: Heller hat dabei die Macht der Banken vergessen). Was ein Staat ist, ist nirgendwo gesetzlich festgelegt, weder im statlichen Recht noch im Völkerrecht. Der Staat wird von der Allgemeinsprache und der Fachsprache definiert. Solange dem keine Legadefinition entgegengesetzt wird, bindet die Begriffsbestimmung durch die Sprache auch die Bürger und alle Behörden. Dieser normativen Kraft der Sprache sind sich selbst viele Juristen nicht bewusst – nicht, weil sie es besser wüssten, sondern weil sie sich mit allzu theoretischen Fragen einfach nicht befasse
2. Die Nation ist nicht mehr von Bedeutung!? Die von der Kanzlerin Merkel lange sogar begrüßte massenhafte unkontrollierte Migration aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten und dem vernachlässigten Afrika hat es ans Licht gebracht: Die große Mehrheit der Bürger hält noch immer daran fest, dass es ein deutsches Volk gibt, von dem ja auch das Grundgesetz ausgeht. Die Linke, mit Ausnahme u.a. von Lafontaine und Wagenknecht, und die meisten konservativen „Globalisten“ in fast allen Parteien halten nichts mehr von der besonderen Rolle des „Deutschen“ im Begriff des Deutschen Volkes. Andere wie früher Merz und heute Seehofer halten mit einer „deutschen Leitkultur“ dagegen. Das Grundgesetz unterscheidet deutlich, dass die allgemeinen Grundrechte für jedermann gelten, andere Grundrechte aber nur für „die Deutschen“: Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit und Berufsfreiheit. Der allgemeine Wille, Teil einer Nation zu sein, auf die man (wieder) stolz sein kann, zeigte sich überdeutlich schon 1954, als die deutsche Nationalmannschaft erstmals Fußballweltmeister wurde. Auch heute lässt sich ein solches Bestreben nicht austreiben, selbst wenn man die Nationalkicker nur noch „die Mannschaft“ nennt. Das „heilige römische Reich deutscher Nation“ hat mehr als 1000 Jahre existiert, bis aus einem Teil davon erstmals 1871 eine deutsche Staatsnation wurde. Weder hier noch in den anderen europäischen Ländern kann man die Völker mit Aussicht auf Erfolg dazu drängen, den eingefleischten alten Nationalstolz in einen Stolz, auf ihre Existenz in einem vereinten Europa, zu tauschen. Wie soll das auch gehen bei den vorhandenen kulturellen Unterschieden z.B. von Irland bis Bulgarien und von Norwegen und der Türkei (die mal wieder an die Tür klopft).
3. Heimat ist keine rechtliche Kategorie!? Das Grundgesetz hütet sich, auch nur an einer Stelle von Heimat oder gar einem Recht auf Heimat zu sprechen. Das wäre ja Wasser gewesen auf die Mühlen der Millionen Heimatvertriebenen aus Pommern, Schlesien, Ostpreußen und dem Sudetenland. Immerhin kennt das einfache Gesetz einen „heimatlosen Ausländer“. Die Rechten (NPD, AfD) sehen in der Heimat ein im Zusammenhang mit der Nation stehendes vom Staat zu schützendes Interesse. Die Gefahr von Überfremdung sehen inzwischen auch andere, insbesondere in der CDU/CSU, die in München, Düsseldorf und Berlin Heimatministerien eingerichtet haben.
4. Ein Selbstbestimmungsrecht gibt es nicht!? Wenn man sich an Wikipedia anlehnen will, ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker eines der Grundrechte der Völker. Die Völker sollen über die Verfassung ihres Staates frei und ohne Bevormundung von außen entscheiden dürfen. Das ist aber in keiner geltenden Rechtsnorm allgemein festgelegt.. Es gibt nur einzelne Völkerrechtsabkommen, in denen von solcher Selbstbestimmung die Rede ist. Es stellen sich aber tausend Fragen: Ganz aktuell fragt sich, ob die Bürger der spanischen Provinz Katalonien das Recht haben, ihren eigenen Staat zu haben (ihre eigene Kultur haben sie längst). Wie ist das in Nordirland, im Baskenland und bei den Kurden? Und was wäre, wenn die Schwaben und die Franken sich auf ihre eigene Kultur besännen oder die im Separatismus erfahrenen Rheinländer und ihre Zwangsfreunde, die Westfalen? Es existeirt auch kein entsprechendes Völkergewohnheitsrecht, weil es von der Staatengemeinschaft nicht als geltend anerkannt wird. Es gilt allein die Macht des Zentralstaates, der im Zweifel mit Gewalt sein Territorium zusammenhält. Wenn innerstaatlich eine Loslösung eines Staatsteils ausdrücklich erlaubt ist – wie im Fall Großbritannien und Schottland- ist natürlich alles anders.
5. Das Subsidiaritätsprinzip hat keine Rechtsgeltung. Das Subsidiaritätsprinzip regelt, dass gesellschaftlich-politische Maßnahmen nach Möglichkeit auf der jeweils untersten Ebene getroffen werden sollen. Dahinter steckt das humanistische Bestreben, staatliche Entscheidungen möglichst bürgernah zu treffen. Was auf kommunaler Ebene geregelt wird, ist für die Bürger leichter überschau- und beeinflussbar als auf Landesebene, auf Bundesebene und erst recht weit weg in Brüssel und Straßburg.